(eine Tourenbeschreibung von Peter Jannick)
Es war am Sonntag, den 2. Juli 2017. Der Wecker klingelte um 04:45Uhr. Viel zu früh am Sonntag und die erste Frage, die sich stellt bei 5 Grad und Bewölkung: „Was soll ich zum Rad fahren in den Bergen bloß anziehen?“. Naja, es bleibt ja noch genug Zeit beim Frühstück, um darüber nachzudenken vor dem Start des Dolomiten-Marathons um 06:30Uhr. Die meisten von uns wählen kurzes Trikot und Hose mit Arm- und Beinlingen. Eine Windjacke darf natürlich bei den eisigen Temperaturen am Morgen und auch für die Abfahrten nicht fehlen. Im Laufe des Tages soll die Temperatur noch auf 15 Grad ansteigen und die Sonne soll sich zeigen.
Zum Glück liegt unser Hotel Savoy direkt an der Strecke und wir können uns, nach einem ausgiebigen und leckeren Frühstück gleich in den Startblock einordnen. Über uns fliegen plötzlich mehrere Hubschrauber mit Fernsehkameras. Der gesamte Ort La Villa ist mit Radfahrern geflutet. 9000 glückliche Teilnehmer, die einen begehrten Startplatz von über 35000 Anmeldungen ergattert haben, warten darauf, endlich ihren Trainingszustand zu testen und die verschiedenen Distanzen unter die Räder zu nehmen. Klar. Aufgrund der langen Anreise haben wir uns alle für die 138km Strecke mit über 4300 Höhenmetern entschieden.
Der Startschuss fällt und der dicke Lindwurm aus Radfahrern setzt sich langsam in Bewegung. Schon nach ein paar Kilometern zur Auffahrt auf den Campolongo Pass gerät die träge Radfahrermasse ins Stocken. Nur nicht anhalten, denken wir uns. Am Berg bei 6.1% Steigung in die Pedalen zu steigen, könnte schwierig sein. Die Abfahrt nach Arabba erfordert bei den vielen Radfahrern hohe Aufmerksamkeit. Aber die meisten Teilnehmer beherrschen ihr Rennrad gut. So können wir mit Schwung in der Pordoi Pass rollern. Die Radfahrerdichte nimmt ein wenig ab und langsam haben wir wieder genug Platz auch mal die Blicke schweifen zu lassen. Das Dolomiten-Massiv ist der absolute Wahnsinn und die Schönheit motiviert uns, alles aus uns rauszuholen. Wir müssen uns ein bisschen bremsen, denn es gibt noch weitere Gipfel mit der Bergübersetzung 34/28 Zähne zu erklimmen.
Wieder eine schöne Abfahrt, dann geht es den Sella und Gardena Pass hinauf. Es folgt eine lange und schöne Abfahrt nach Corvara. Hier ist für die Dolomiti-Radler der kleinen Runde Schluss. Alle Anderen fahren wieder den Campolongo Pass hoch. Immer wieder treffen wir zwischendurch ein paar bekannte Gesichter aus unserem Trainingsrevier, die auch die Dolomiten-Herausforderung angenommen haben. Die Welt ist manchmal wirklich ein Dorf!
Nach der Abfahrt vom Campolongo-Pass folgen ein paar harmlose Aufstiege, aber was jetzt kommt, lässt einem fast die Beine platzen. Der Scharfrichter Giau Pass stellt sich uns buchstäblich in den Weg. Die Geschwindigkeit sinkt unter 10km/h. Kein Wunder bei einer Durchschnittssteigung vom 9,3%. Wir sind mit unserer Kompaktkurbelübersetzung am Ende, verbiegen die Beine, zerren am Lenker und schaffen es am Ende irgendwie diesen Stinker zu überwinden. Nach einer kurzen Pause mit viel Cola geht es in die Abfahrt und die nächsten Auffahrten Falzarego und Valparola Pass stellen sich uns in den Weg.
Nun ist es nicht mehr Weit bis ins Zeil. Mit Glücksgefühlen im Bauch lassen wir es jetzt laufen und der Laktatschmerz in den Oberschenkelmuskeln an den vorhergehenden Pässen ist fast vergessen. Doch anstatt nach Corvara ins Ziel zu rollern, türmt sich vor uns plötzlich eine 350m lange und 19%ige Steigung auf. Die Mur di Giat lässt uns fast stehen. Die letzten Kräfte mobilisieren und nur nicht absteigen… Vielleicht ist es am Ende auch der Energieschub Cola, der uns dieses Ding überwinden lässt.
Die meisten Teilnehmer lassen jetzt die Beine hängen und rollern gemächlich ins Ziel, immer mit der Befürchtung, der Veranstalter hat sich noch eine kleine fiese Überraschung aufgespart. Den letzten Kilometer haben wir ein Dauergrinsen im Gesicht. Jetzt wissen wir unsere Befürchtung wird zum Glück nicht wahr und wir haben den Dolomiten-Marathon erfolgreich geschafft!
P.S.: Schon nach ein paar Stunden Erholung und vergessenen Schmerzen wollen wir in jedem Fall wieder den Dolomiten-Marathon fahren. Vorsicht Suchtpotential!